Biomedizinisches Centrum München
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ALS: Fehlender Botenstoff löst fehlerhafte Aktivität in der Großhirnrinde aus

27.03.2024

Eine neue Studie unter der Leitung von BMC-Forscherin Sabine Liebscher zusammen mit französischen Forscherteams zeigt eine Schlüsselrolle des Botenstoffs Noradrenalin bei krankhaften neuronalen Aktivitätsmustern in der Großhirnrinde von ALS-Patienten.

Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine tödliche Erkrankung, bei der die Nervenzellen, die die Skelettmuskulatur steuern, die sogenannten Motoneurone, verloren gehen. Trotz jahrzehntelanger Forschung und wichtiger Erkenntnisse zu den molekularen Mechanismen, die die Degeneration der Motoneuronen vorantreiben, ist die Krankheit nach wie vor unheilbar. Die aktuellen Therapiemöglichkeiten haben nur sehr begrenzte Auswirkungen auf das Fortschreiten der Krankheit. Die Forschung hat sich bisher stark auf die Untersuchung des Absterbens der unteren Motoneuronen, die im Rückenmark entspringen, konzentriert. Über die oberen Motoneuronen mit Ursprung in der Großhirnrinde (motorischer Kortex), ist sehr wenig bekannt, obwohl es zahlreiche Belege dafür gibt, dass diese entscheidend an der Entstehung und dem Fortschreiten der ALS beteiligt sind. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Fehlfunktion der oberen Motoneuronen bei Patienten schwer zu messen und zu beurteilen ist. Denn die Messung erfordert intakte Verbindungen zwischen Neuronen und Muskeln, die aber bei der Krankheit zerstört werden.

In ihrer neuen Studie haben die Teams von Sabine Liebscher, Véronique Marchand-Pauvert und Caroline Rouaux eine neue Methode zum Auslesen der kortikalen Übererregbarkeit bei ALS-Patienten und in Mausmodellen der Krankheit gefunden. Sie beruht auf der Kopplung bestimmter neuronaler Aktivitätsfrequenzen, der sogenannten Phasen-Amplituden-Kopplung. Dieser Ansatz soll nun eine schnellere Diagnose ermöglichen, auch wenn Nerven-Muskel-Verbindungen geschädigt sind. Die deutsch-französischen Forscherteams wollten die Mechanismen verstehen, die den krankhaften Aktivitätsmustern im motorischen Kortex bei ALS zu Grunde liegen. Ihre Arbeit zeigt, dass ein Mangel an dem Botenstoff Noradrenalin eine Schlüsselrolle spielt bei der beobachteten kortikalen Übererregbarkeit. Pharmakologische Tests mit bereits zugelassenen Medikamenten zeigen, dass sie den Mangel an Noradrenalin ausgleichen und die kortikale Übererregbarkeit teilweise normalisieren können.

Diese neuen Erkenntnisse unterstreichen die Rolle von Schaltkreismechanismen beim Krankheitsbild der ALS und ebnen den Weg für neue therapeutische Strategien zur Bekämpfung dieser verheerenden Krankheit.

Publikation: Scekic-Zahirovic et al.: Cortical hyperexcitability in mouse models and patients with amyotrophic lateral sclerosis is linked to noradrenaline deficienc, Science Translational Medicine 2024